ssica Schulz (rechts) aus Kaulitz, die in Salzwedel das Floorball-ABC erlernte und dort auch als Trainerin arbeitete, spielt mittlerweile für Hannover 96 in der 2. Bundesliga und in der deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Foto: Peter Döbbelin

Floorball 24-jährige Kaulitzerin Jessica Schulz spielt für Hannover 96 in der 2. Bundesliga und im Nationalteam

Kaulitz/Hannover l Mit einem lachenden, aber sicherlich auch einem weinenden Auge blickt man bei den Floorball-Grizzlys des TV Jahn Salzwedel auf die Entwicklung von Jessica Schulz. Die Verteidigerin wurde an der Jeetze ausgebildet und spielt mittlerweile in der 2. Bundesliga der Herren. Das dürfte die Salzwedeler einerseits mit Stolz erfüllen, andererseits hätten die Grizzly-Herren die technisch starke Schulz mit Sicherheit gern weiterhin in ihrem Verbandsliga-Kader gehabt. Die 24-Jährige („Ein Leben ohne Floorball kann ich mir nicht vorstellen“) hat, mittlerweile in Hannover lebend, aber ganz andere Ziele.

Erst Voltigieren, dann Fußball und Floorball

Ganze sieben Jahre lang probierte sich Jessica einst während ihrer Grundschulzeit – durchaus erfolgreich – als Voltigiererin in Krumke aus. „Man bekam dabei so viel Körpergefühl und hat gelernt, wie es ist, in einer Mannschaft zu sein“, begründet die 24-Jährige ihre Begeisterung für diese Sportart. Im Laufe der Jahre kamen dann allerdings andere Interessen hinzu. So entschloss sich Jessica Schulz, mit 13 Jahren für die SG Eintracht Mechau dem Fußball nachzujagen. Von dieser populären Sportart wurde sie vor allem von ihrem Vater Heiner begeistert. Der war früher selbst für die Eintracht aktiv und legte seiner Tochter auch eine Menge Talent mit in die Wiege. Als linke oder rechte Verteidigerin war Jessica eine feste Größe im damaligen Landesliga-Team von Trainer Heiko von Lieben.

Parallel startete die Kaulitzerin auf Anraten ihres damaligen Sportlehrers Heino Radtke, nebenbei auch Trainer im Verein, auch ihre Laufbahn als Floorballerin bei den Grizzlys in Salzwedel. Dort agierte sie von Beginn an gemeinsam mit zumeist gleichaltrigen Jungen und spielte sich als Verteidigerin in der Mannschaft fest. Als Fünftklässlerin auf dem Salzwedeler Jahn-Gymnasium erkundigte sich Lehrer Heino Radtke nach Jessicas Bereitschaft, Floorball auch im Verein zu betreiben. Sie musste nicht lange überlegen und schloss sich den Grizzlys, unter der Leitung von Trainer Radtke, an.

Punktspiele durfte die Sportfanatikerin, nachdem sie über die Schul-Arbeitsgemeinschaft bereits Spielpraxis sammelte, erst ein Jahr später bestreiten. „Grundsätzlich macht es mir einfach Spaß, an meine Grenzen zu gehen und vor allem gegen Männer oder stärkere Teams zu zeigen, was man kann“, so die ehrgeizige 24-Jährige, die sich mit 16 Jahren dazu entschied, nur noch Floorball zu spielen und ihre Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. „Es ist die Verbindung aus sehr schnellem und intensivem Spiel, was mich fasziniert. Gerade Großfeld ist sehr taktisch geprägt und es ist unglaublich, wie dein Kopf arbeiten muss. Du musst während des Sprints mit dem Kopf und deinem Körper voll da sein und richtig reagieren“, gibt die Westaltmärkerin einen kleinen Einblick in diese Sportart.

Jessica Schulz wurde, da sie sich von Beginn an fast ausschließlich mit Jungen messen musste, deutlich mehr gefordert. Dennoch war es nach eigener Auskunft schon immer der „Überblick für meine Mitspieler und das Feld allgemein“, der die Defensivspielerin von Beginn an auszeichnete. Zudem trug sie immer den Ehrgeiz, so wenige Fehler wie möglich zu machen und sich stetig zu steigern, in sich. Genau das schaffte die Kaulitzerin, die in ihrer Anfangszeit von einem „geilen Mannschaftsgefühl“ spricht, dann auch mit der Zeit und nahm mit ihrer Salzwedeler Mannschaft schon früh an Deutschen Meisterschaften teil. 2009 reichte es immerhin zum deutschen Vizemeistertitel in der U17, ein Jahr später nahm Jessica mit der U19-Nationalmannschaft erstmals an einer Weltmeisterschaft in Tschechien teil und landete auf dem elften Platz. Anschließend begann die Westaltmärkerin, die sich technisch und taktisch immer weiter verbesserte, ihr Studium und hatte dementsprechend nur noch wenig Zeit, um zu trainieren.

Nach Beendigung ihres Studiums arbeitete Jessica Schulz in Wolfsburg und suchte noch häufig das Training und die Spiele der Floorball-Grizzlys aus Salzwedel auf. Mittlerweile hatte sich Schulz auch dazu entschieden, Traineraufgaben zu übernehmen. „Das hat mich als Mensch sehr geprägt“, so die 24-Jährige rückblickend. Dennoch wurde die Zeit insgesamt einfach immer knapper, so dass sich die Kaulitzerin zu einem Tapetenwechsel entschied. 2015 bildete sich die Floorballsparte von Hannover 96. Dadurch aufmerksam wurde Jessica über Facebook. „Ich dachte mir, ich probiere es einfach mal aus“, schildert die Abwehrspielerin. Ob nun Salzwedel oder Hannover – das spielte von Wolfsburg aus, rein von der Entfernung her, keine große Rolle. „Durch die Autobahn war man sogar noch schneller in Hannover. Zudem lief es in Salzwedel auch immer schleppender. Ich wollte den nächsten Schritt gehen und bin daher zu ‚96′ gewechselt“, verrät Jessica Schulz.

Über Facebook auf „96″ aufmerksam geworden

„Ich konnte hier für mich persönlich viel mehr lernen und mehr an mir arbeiten. Das Training ist viel schneller und härter und fordert mich richtig“, fügt sie an. In der Regionalliga schaffte Schulz in der Vorsaison mit dem Frauenteam auf Kleinfeld den dritten Platz, mit der ersten Herrenvertretung wurde der angestrebte Klassenerhalt in der 2. Bundesliga West geschafft. In der aktuellen Spielzeit konnten sich die 96er sogar noch steigern. „Dennoch haben wir im Herrenteam mehr Potenzial, als wir bisher gezeigt haben“, gibt die 24-Jährige zu. Die Spielklasse schätzt sie als sehr stark ein. „Qualitativ ist die Liga für eine Frau wirklich gut und fordert einen“, so die Ex-Salzwedelerin, die seit April des letzten Jahres gemeinsam mit ihrem Bruder auch in der niedersächsischen Landeshauptstadt wohnt.

Die Westaltmärkerin spielt mittlerweile im Frauenbereich sowohl auf dem Klein- als auch auf dem Großfeld. „Mit der Kleinfeldmannschaft sind wir in der Regionalliga Niedersachsen noch ungeschlagen und wollen zur Deutschen Meisterschaft fahren“, verrät die 24-Jährige, die bereits vom Titel träumt. Die Premierensaison ist es dagegen für das Großfeldteam aus Hannover. Dieses verkauft sich, ebenfalls in der Regionalliga (Schleswig-Holstein), ordentlich und belegt einen Platz im gesicherten Mittelfeld. „Das Potenzial der Mädels ist hier bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Gerade auf dem Großfeld hoffe ich, dass wir konstanter werden und noch offensiver spielen“, gibt die Kaulitzerin allerdings zu verstehen. Die trainiert, abgesehen vom Montag, täglich und bestreitet an nahezu jedem Wochenende mit ihren Teams die Punktspiele. Allein zweimal, dienstags und freitags, probt Jessica mit der ersten 96-Herrenvertretung. „Dazu kommen dann noch vereinzelte Krafteinheiten zu Hause“, erklärt Schulz, die übrigens gemeinsam mit Niklas Lifke auch noch die zweite Männertruppe trainiert. Die Westaltmärkerin, die mit den Herren auf Dauer in der 2. Bundesliga weiter oben angreifen möchte, arbeitet nach drei Jahren dualem Studium nun in Wolfsburg in der Finanzbranche einer Volkswagen-Tochter und fühlt sich in Hannover mittlerweile heimisch. „Meine Zukunft sehe ich schon dort und langfristig wird sich zeigen, ob ich auch beruflich dorthin wechsele“, so die Floorballerin, die froh ist, dass die sehr professionelle Sparte bei „96″ mit ihren finanziellen Mitteln „allein entscheiden kann, vom Gesamtverein aber auch immer wieder unterstützt wird“.

Mit drei Siegen für die WM qualifiziert

Jessica Schulz wurde im Februar 2016, also vor ziemlich genau einem Jahr, gefragt, ob sie Interesse an einem Sichtungstrainingslager der deutschen Frauen-Nationalmannschaft hat. „Anschließend wurde ich zu jedem weiteren eingeladen und schließlich für die Weltmeisterschafts-Qualifikation nominiert“, berichtet die 24-Jährige stolz. Mit der deutschen Auswahl hat die Westaltmärkerin bereits mehrere Trainingslager hinter sich – beispielsweise in Rohrdorf sowie in Mülheim. Vom 1. bis zum 5. Februar befand sich Jessica mit ihren Kolleginnen beim WM-Qualiturnier im italienischen Celano. „Die Tagesabläufe sind bis ins kleinste Detail geplant. Als Spieler kann man sich daher gut fokussieren und ist nicht abgelenkt. Es bleiben immer nur kurze Pausen“, berichtet die Nationalspielerin. Als Rangzweiter schaffte es die deutsche Mannschaft, in deren Reihen neben Jessica Schulz mit Torhüterin Indra Reck auch noch eine zweite Westaltmärkerin aktiv ist, zur Weltmeisterschaft 2017 im Dezember im slowakischen Bratislava. Siege gab es gegen Österreich (13:1), Estland (2:1) sowie abschließend gegen die Niederlande (9:1). Nur die Schweiz erwies sich als zu stark, dort setzte es eine deftige 0:9-Packung. Ihrem großen Traum, irgendwann eine Damen-WM zu bestreiten, kam Jessica dadurch ein großes Stück näher.

Die Kaulitzerin möchte noch so lange wie möglich zum Schläger greifen. „Bei den Männern werde ich wahrscheinlich eher aufhören müssen als bei den Frauen“, weiß die 24-Jährige. Die hofft, dass die tolle Entwicklung bei Hannover 96, wo sich im Schnitt um die 50 Zuschauer zu den Partien einfinden und die Begeisterung allgemein immer größer wird, weiterhin so vorangeht wie in den beiden vergangenen Jahren. „Es ist schon enorm, was sich dort tut“, staunt Jessica Schulz, die sich als Stadtmensch („Ich liebe die kurzen Wege und den Trubel“) sieht und sich eine Rückkehr in ihre Heimat zumindest aktuell nicht vorstellen kann, noch immer. In Sachen Nationalmannschaft hofft Schulz ebenfalls auf einen Aufschwung. „Hoffentlich klären sich die Strukturen innerhalb Deutschlands und es wird erkannt, wie wichtig die Nationalmannschaft für die Gesamtentwicklung dieser Sportart ist“, so die Ex-Salzwedelerin. Wünschen würde sie sich die Gründung einer eigenen Damen-Bundesliga. Sonst müssen die stärksten Frauen immer bei den Männern mitspielen, um sich weiterzuentwickeln beziehungsweise überhaupt Spielpraxis zu sammeln. So ergeht es zwar auch Jessica Schulz, doch sie kann mit ihrem eingeschlagenen Weg insgesamt sehr zufrieden sein.

Westaltmärkerin spielt für Deutschland

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