Warum Pferdeakrobaten von ihrem Sport profitieren
Wenn Kinder sich dem Voltigieren verschreiben, wachsen sie über sich hinaus. In vielfacher Hinsicht. Nicht nur, dass sie auf einem Pferd turnen und dabei akrobatische Kunststücke vollbringen. Auch auf die Gesamtentwicklung wirkt sich diese besondere Form des Pferdesports positiv aus.
#Käcklitz ● „Voltigieren ist ein Sport, der viele positive Eigenschaften bei Kindern fördert“, sagt Claudia Constabel. Sie weiß, wovon sie spricht. Die 39-Jährige ist Jugendwartin im Kreis-Reiter- und Zuchtverband (KRZV) Salzwedel, hat als Kind und Jugendliche selbst voltigiert und ist heute Trainerin mehrerer Voltigiergruppen ihres Heimatvereins Reit- und Fahrverein (RFV) Käcklitz.
Im KRZV gibt es derzeit fünf Vereine, die Voltigieren anbieten. Neben Käcklitz sind das der Sportverein Engersen, die Voltigier- und Reitgemeinschaft Gieseritz, der RFV „Dammkrug“ Güssefeld und der RFV Klötze. Dort voltigieren jeweils zwischen 20 und 30 Kinder und Jugendliche, wobei der Mädchenanteil bei über 95 Prozent liegt. Und alle Vereine können sich über mangelnden Zuspruch nicht beklagen. „Ich bekomme pro Woche mindestens ein bis zwei Anfragen von interessierten Kindern oder Eltern, die ihre Kinder anmelden möchten“, beschreibt Claudia Constabel die aktuelle Situation. In den anderen Vereinen sehe es ähnlich aus. Scheint, als wüssten die Interessenten um die positiven Nebeneffekte, die diese besondere Pferdesportart mit sich bringt.
Körpergefühl und Mut sind gefragt
Um auf einem Pferd, das sich an einer Longe im Kreis bewegt, turnen zu können, braucht es neben der Liebe zum Tier nämlich Mut, Körpergefühl und Gelenkigkeit. Die positiven Effekte und Charaktereigenschaften entwickeln sich im Laufe der Zeit und mit zunehmendem Können. „Die Kinder bekommen Zutrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, werden selbstbewusster, zielstrebiger, lernen Durchhaltevermögen, entwickeln Ehrgeiz, Teamgeist, der über die eigene Altersklasse hinaus geht, und lernen, mit Misserfolgen umzugehen“, fasst Claudia Constabel zusammen. Letzteres passiert dann, wenn eine Übung nicht glückt oder bei einem Wettbewerb andere die Medaillen bekommen. Damit das beim nächsten Mal anders ist, wird zuversichtlich weiter trainiert. Bis das Zusammenspiel in der Gruppe besser funktioniert und die meist jüngeren (leichteren) Akrobaten den älteren vertrauen, dass sie von ihnen getragen und gehalten werden. Zum Beispiel, wenn sie zwei- und dreistöckige Pyramiden aus Akrobaten bauen. Kurz gesagt: Voltigieren prägt für das ganz Leben.
„Es ist toll, diese Entwicklung der Kinder mitzuerleben“, so die Jugendwartin, und auch zu sehen, wie einige von ihnen selbst ins Trainer-Ehrenamt hineinwachsen. Dürfen sie anfangs den Übungsleitern bei der Pferdepflege und Trainingsvorbereitung mehr und mehr zur Hand gehen und kleine Aufgaben übernehmen, stehen sie später dann selbst mit der Longe in der Mitte des Zirkels und haben Verantwortung für die Turner und das Pferd. Der Vierbeiner ist der wichtigste Sportspartner für die Akrobaten und muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Das sind neben einer angemessenen Größe und Bewegungsfreude ein schier unerschütterliches Gemüt. Schließlich muss das Pferd Ruhe bewahren, wenn plötzlich ein lautes Geräusch ertönt oder es zu anderen Schreckmomenten kommt, während auf dem Rücken gerade ein Kind einen Schulterstand macht.
Holzpferd als erster Trainingspartner
Um die Pferde nicht überzustrapazieren, werden die einzelnen Elemente zunächst auf dem Boden oder auf dem Holzpferd geübt. Inzwischen gibt es sogar Wettbewerbe, bei denen ausschließlich auf Holzpferden geturnt wird. Ganz neu sind sogenannte Movies, Holzpferde, die motorbetrieben sind und sich wie Pferde in unterschiedlichen Rhythmen und Gangarten bewegen können. Im November ist in Klötze sogar ein Movie-Turnier geplant, kündigt Claudia Constabel an. Die Kreis-Kinder- und Jugendspiele finden am 3. September mit echten Pferden in Güssefeld statt.
Übrigens: Während sich die Voltigierer im Altmarkkreis vorrangig dem Turniersport widmen, gibt es noch andere Lebensbereiche, in denen Voltigieren eine Rolle spielt, als Reha- oder Behindertensport beispielsweise.
Quelle: Von Meike Schulze-Wührl
Ein Wettkampfsport
Kampfrichter beurteilen Pflicht- und Kürelemente / Guter Gleichgewichtssinn lässt sich trainieren
Käcklitz (msh) ● Das Voltigieren unterteilt sich in Breitenund Turniersport. Beim Breitensport wird das Interesse junger Menschen für diesen besonderen Sport geweckt. Voltigieren als Turniersport gilt als anspruchsvoller Leistungssport. Die ranghöchsten Turniere sind Weltmeisterschaften, die alle zwei Jahre stattfinden. Im ländlichen Raum finden vorwiegend Breitensportturniere statt.
Beim wettkampfmäßigen Voltigieren müssen Pflichtund auch Kürelemente gezeigt werden. Diese haben Namen wie Grundsitz, Fahne, Liegestütz, Mühle und Hocke (Pflicht) sowie Prinzensitz, Querlieger, Nadel, Schulterstand, Kanone oder Pistole (Kür). Die Ausführung der Elemente wird von anerkannten Preisrichtern mit Noten von 1 (nichtso gut) bis10 (super) bewertet.
Zum Leistungssport zählt Voltigieren, wenn Pflicht und Kür im Galopp geturnt werden. Wettbewerbe, bei denen die Turner einen Teil oder beide absolvieren, während das Pferd im Schritt geht, gehören zum Breitensport.
Zur Geschichte der besonderen Sportart
Der Ursprung des Voltigierens geht auf die Ausbildung berittener Soldaten zurück, die dadurch lernten ihr Gleichgewicht, Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer zu trainieren. Auch heute noch gilt Voltigieren als Vorstufe zum Reiten. Die meisten Pferdeakrobaten streben jedoch keine Reitkarriere mehr an, da ihnen das zu langweilig ist. Sie voltigieren lieber bis weit ins Erwachsenenalter.
Ausrüstung für Pferd und Turner
Zur Ausrüstung gehören für das Pferd Trense, Voltigiergurt, Voltigierpad (Unterlage zum Turnen), Bandagen oder Gamaschen, Ausbinder, Longe und Peitsche. Zum Outfit für die Turner zählen neben Voltigieranzug auch Gymnastikschläppchen, eine schöne, meist straff sitzende Frisur, etwas Schminke und ein Lächeln für eine schöne Ausstrahlung.
Die Volksstimme empfiehlt vom 02. Oktober 2023 den Artikel Voltigieren prägt https://epaper.volksstimme.de/volksstimme/share/UEpDRjFJQzhtOGtIdU1aemp5UlhodTU1NEVrQWRwYlBPQm1DaWtQeEo4WGdQd09rRXE4T0NhaUpibGtUYWt3Zit6RHJIamZIQU9NRU9RZWtuQ1doZTAvcmV0TGx2YWNDdTd6Q3NVbVNEcE9Wd2xneDNOcUtDRFF2L0hlYXNRPT0=?preview=true